Kein Lehrbuch der Nationalökonomik kann jemals eine immer und überall empirisch gültige Einheitstheorie für das bestmögliche Funktionieren einer staatlich eingebundenen Wirtschaft (Nationalökonomie) zugunsten der Bürger, des Gemeinwesens und befreundeter Länder anbieten. Unwissen über Zustände und Funktionsweisen künftiger Nationalökonomien, die sich mit turbulentem innovativem Wandel in unvorstellbarer Weise neugestalten, ist ein Hauptgrund. Gleichwohl sollen und wollen Nationalökonomen bestmögliche Ratschläge für eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung erteilen, die allen nützt. Sie trachten durch ein „Spurenlesen“ der Menschen da und dort sowie ein „Spurendeuten“ über gewisse Zeitspannen hinweg ein dynamisches Makro-Modell für die speziell betrachtete Nationalökonomie zu gewinnen. Üblich sind Zwei-Schritt-Einzelschätzungen (versuchs- und schrittweise Hinzunahme und sodann Wegnahme von Regressoren) für Verknüpfungen von Gruppen-Daten. Misslich ist dabei zweierlei: (1.) dass mit den verfügbaren Daten unterschiedliche und gleichermaßen vertretbare Modelle möglich sind, (2.) ferner jedoch keines dieser Modelle zukunftsgültig „wie eine Maschine“ sein kann. Tiefere Gründe für beides liegen (mangels „Allwissens“) in der allüberall nur „beschränkten Rationalität“, im unkalkulierbaren Ausleben persönlicher Freiheiten in der „Marktwirtschaftlichen Demokratie“ sowie schließlich im erwähnten Wandel moderner Nationalökonomien. Ungeachtet aller unvermeidlichen „Unschärfen“ (mit ungenauen Definitionen der Variablen, den nur ungefähr dazu passenden Daten und tatsächlich bloß weichen Verknüpfungen) werden die Modelle mit Mathematik und ökonometrischen Spezifikationen als scheingenau präsentiert, von einzelnen Fachleuten zum Glauben angeboten und sogar zur „Rechtfertigung“ politischer Maßnahmen nach bestimmten Weltanschauungen als allgemeingültig verfochten. Meinungsführer erreichen dabei nicht selten eine sozialpsychologische Immunisierung bestimmter Thesen. Diese wirkt im Alltag (bei Handlungsempfehlungen, bei Prüfungen und bei Karriere-Schritten) oftmals als verbindlich und „wahr“. Der bei führenden Nationalökonomen bisher praktizierte „naturwissenschaftliche Denkstil“ (mit genauer Ausdrucksweise, Überprüfbarkeit der Zusammenhangsvermutungen und Suche nach Gesetz- oder Regelmäßigkeiten) hat sich erschöpft, dabei aber eine große Herausforderung an die Wissenschaft hinterlassen.
Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Adolf Wagner, Universität Leipzig, Post: 72108 Rottenburg, Burglehenweg 7, Mail: prof@adolfwagner.eu, Absolvent der Ludwig-Maximilians-Universität München, promoviert und habilitiert für „Volkswirtschaftslehre und Statistik“ an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, war Gründungsdirektor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung (IEW) der Universität Leipzig, vormals auch Direktor des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) der Universität Tübingen und Co-Direktor des Instituts für Sozial- und Familienpolitik der Universität Marburg sowie Lehrstuhlinhaber an der Hochschule Reutlingen und an den Universitäten Marburg, Tübingen und Leipzig. Wagner war mehrfach Dekan und an der Universität Leipzig auch Prorektor. Im vorakademischen Berufsleben war er erfolgreich im bayerischen Sparkassenwesen engagiert. Näheres: www.adolf-wagner.eu.
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